Member Story Hendrik Lesser: Spieltrieb als Motor

„Wer bin ich?“ Diese große Frage der Philosophie beschäftigt EO-Mitglied Hendrik Lesser, Gründer und Managing Director von Spielesoftwareunternehmen „Remote Control Productions“, schon seit seiner Kindheit. Geboren in eine Familie mit niederländischer Kolonialvergangenheit und asiatischen Wurzeln, war seine Kindheit geprägt von der Auseinandersetzung mit der eigenen Identität. „Meine Mutter ist Halbindonesierin, und das sieht man mir auch an“, erklärt Hendrik. „Andere Kinder mit Migrationshintergrund wurden damals oft gehänselt – ich nicht, weil niemand wusste, wo oder was Indonesien ist.“ Schon früh versuchte Hendrik deshalb seine Herkunft zu verstehen und sich selbst zu definieren. Dabei fand er im Spielen eine Form des Ausdrucks und der Selbstentdeckung.

Schon als Kind verliebte er sich in das Medium der Computerspiele und organisierte Tauschringe um so vielen Menschen wie möglich Zugang zu so vielen Computerspielen zu eröffnen. „Ich habe Spiele gepresst und weiter verteilt. Das war im weitesten Sinne auch schon unternehmerisch“, sagt Hendrik.

Spielerisch zum Erfolg

Nach dem Abitur zog es ihn erst mal zur Universität. Erneut ließ sich Hendrik von der Frage „Wer bin ich?“ leiten und begann ein Studium in Philosophie und Politikwissenschaften. 2001 folgte er seinem Interesse und startete bei dem amerikanischen Entwickler von Computer-Spielen „Take 2 Interactive“. „Zu dem Zeitpunkt hat sich Gaming stark verändert“, sagt Hendrik. Er gründete dort einen Betriebsrat und setzte sich für die Interessen der Mitarbeiter ein. 2005 gründete er sein eigenes Spielesoftwareunternehmen, „Remote Control Productions“. Der Wunsch, Unternehmer zu sein, stand für Hendrik dabei nie als Motiv im Vordergrund und ist viel mehr eine logische Konsequenz seiner Begeisterung für Spiele. „Was viele vergessen, ist, dass das deutsche Wort ‚Beruf‘ von ‚Berufung‘ kommt“, sagt Hendrik, „wenn man etwas wirklich gern tut, braucht man auf Work-Life-Balance nicht zu achten. Mir gibt meine Arbeit Energie.“ Über die Frage, ob er denn bei so viel Beschäftigung mit Computerspielen auch in seiner Freizeit noch spielt, kann Hendrik dementsprechend nur müde lächeln. Natürlich tut er das.

Engagement in anderen Organisationen

Auch darüber hinaus pflegt Hendrik eine Vielzahl an Interessen. Letztes Jahr besetzte er eine Mini-Sprechrolle im Oscar-prämierten „The Zone of Interest.“ „Nach einem kurzfristigen Gefallen für den Film, gaben sie mir eine Mini-Sprechrolle“, sagt Hendrik. Für den Satz, den er einsprach, nahm er einen heftigen Muskelkater auf sich: „Ich sollte ganz aufgeregt klingen“, erzählt Hendrik, „deshalb habe ich eine lange Reihe von Liegestützen gemacht, bis ich völlig fertig war.“ Dafür ist er so auch indirekt an den zwei Oscars des Films (für „Bester Ton“ und „Bester fremdsprachiger Film“) beteiligt sagt Hendrik mit einem Augenzwinkern. Neben solchen Ausflügen setzt sich Hendrik leidenschaftlich für die Anerkennung von Videospielen als Kulturgut ein. Er gründete den Verein „Videospielkultur e.V.“, der Spiele über die Gaming-Szene hinaus bekannt machen will. Zudem ist er seit mehr als einem Jahrzehnt im Vorstand des europäischen Dachverbands der Spieleentwickler (EGDF) aktiv und treibt die Branche auf europäischer Ebene voran.

Spielen ist Kultur…

Für Hendrik ist das Spielen nicht nur ein Hobby, sondern eine Möglichkeit, sich weiterzubilden, neue Ideen zu entwickeln und sich politisch zu positionieren. „Spiele sind eine der einflussreichsten Kulturtechniken unserer Gesellschaft“, sagt er. Angefangen bei Theater und Schauspiel hin zu den Videospielen unserer Zeit, seien Spiele der Spiegel unserer Gesellschaft.

…und macht nicht aggressiv

Von dem Vorurteil, spielen mache gewaltbereiter, hält Hendrik hingegen nichts: „Da gibt es heute ganz eindeutige Studien, die das widerlegen.“ Mitunter lassen sich durch Spiele sogar politische Statements setzen und Werte verteidigen. Ein besonders prägendes Beispiel ist hier Hendriks „Death From Above“-Spiel, das sich direkt gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin richtet und Spieler ukrainische Drohnenpiloten gegen russische Eindringlinge kämpfen. Der Krieg in der Ukraine und die politische Instabilität in Europa haben Hendrik zutiefst erschüttert. „Der Krieg hat mich schon früh sehr beschäftigt“, sagt er und erzählt, wie ihn 2014 der Einmarsch Russlands auf die Krim schockierte und er 2022 seine Verweigerung der Bundeswehr zurücknahm. Dieser Moment markierte einen Wendepunkt in seinem Leben, der ihm die Bedeutung von Verantwortung und politischem Engagement vor Augen führte. Das Spiel, das er mit seinem Team entwickelte, soll nicht nur unterhalten, sondern auch aufklären und eine klare Botschaft senden: „Man muss die Eindringlinge im Spiel nicht töten. Man kann sie auch dazu bringen, sich zu ergeben.“ Während sich „Death from above“ nicht gegen „die Russen“ als Kollektiv richten soll, wird schnell klar, was Hendrik von Putin hält: drückt man im Spiel Fahndungsplakate des Präsidenten, wächst ihm ein Hitler-Bart.

…und macht nicht aggressiv

Hendriks Engagement geht weit über die Grenzen seines Unternehmens hinaus. Hendrik nutzt seine Plattform, um politische und gesellschaftliche Diskussionen anzuregen und seine ethischen Überzeugungen zu kommunizieren. „Am Ende des Tages bin ich nicht der, der ich bin, sondern der, der ich sein will“, sagt Hendrik. Dabei spielt auch die Frage, wie er die im Peak 500 Mitarbeiter aus sechzehn verschiedenen Ländern, die für sein Unternehmen arbeiten, führen will.

Durch seine Mitgliedschaft bei EO findet Hendrik immer wieder Inspiration, Rückhalt und vor allem Verständnis. „Als CEO fühlt man sich manchmal wie der Kapitän auf einem einsamen Schiff“, sagt er, „ich denke oft, ich bin der Einzige mit meinem Problem. Durch EO bekomme ich dann vor Augen geführt, dass es anderen genauso geht.“

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